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Digitale Spiegelreflexkameras in der Amateurfotografie

2013 / 2017 © Thomas Gade

1990er - Die ersten DSLRs nur für Profis

Im Jahre 2000 steht die digitale Fotografie noch in ihren Anfängen. Es gibt bereits etliche Kompaktkameras, die jedoch nur mit geringen Auflösungen und mageren Akkuleistungen aufwarten können. Speicherkarten haben geringe Kapazitäten und sind teuer. Zudem sind Computer noch relativ leistungsschwach und ebenfalls teuer. In dem Jahr werden in Deutschland über 190 Millionen Filme verkauft, ein Rekordjahr.

Aber die Fotografen ahnen größtenteils, dass ein technologischer Wechsel bevorsteht. In der Pressefotografie findet er zum großen Teil bereits in den 1990ern statt. Kodak führt 1991 das Kodak Digital Camera System (Kodak DCS) ein. In Kooperation mit Sigma, Canon und Nikon werden einige ihrer Kameramodelle modifiziert, damit die Kodak DCS Kameras in bestehende Profisysteme eingefügt werden können.


Kodak Digital Camera System (Kodak DCS) - Frühe DSLRs. Zu teuer für Amateure.
Darstellung aus 'der grosse fotokatalog - 2000/01'

1991 erscheint als erstes Modell die Kodak DCS 100, eine 1,3 Megapixel DSLR, basierend auf einem Nikon F3 Body mit kabelgebundenem Zusatzgerät zum Speichern. Die Verlage und Agenturen investieren in den 1990 er Jahren viel Geld für Scanner, Computer und Speicher. Zunehmend nutzen die Pressefotografen frühe digitale Pressekameras, wenn Schnelligkeit angesagt ist, wie die Kodak DCS 520 (1998 / 15.000 $) eine modifizierte Canon EOS 1N mit 2 Millionen Pixel. Das Preis-/Leistungsverhältnis für digitale Spiegelreflexkameras ist in der 1990 so ungünstig, dass diese Technik für Hobbyfotografen keine Bedeutung hat. Dies soll sich im nachfolgenden Jahrzehnt ändern.

2003 - Durchbruch der DSLR im Massenmarkt

Im Herbst 2003 bringt Canon die digitale Spiegelreflexkamera EOS 300D mit 6 Megapixeln auf den Markt. Nikon folgt im Frühjahr 2004 mit der D70 mit ebenfalls 6 Megapixeln. Diese Kameras haben sogenannte APS-C Aufnahmesensoren, der etwa halb so groß ist wie das herkömmliche 24x36mm Filmformat. Mit rund 1000 € für eine 6 MP DSLR wird eine Preisgrenze durchbrochen, die zuvor einen Masseneinstieg behindert. Zudem sind die neuen Kameras klein und ihre hohe Bildqualität verblüfft die Fotografen. Pentax kontert 2004 mit der Pentax *ist DS (APS-C / 6 MP) für 900 €.

Die Traditionshersteller bemühen sich, ihrer markentreuen Kunden nicht zu verlieren und setzen auf die digitale Technik. Sie ist ihnen trotz hoher Investitionskosten willkommen, weil die Kameras für Filme längst ausgereift sind. Die neue Technik verspricht eine Belebung des Marktes. Die Hersteller für fotochemische Produkte beobachten die Entwicklung mit Skepsis und entwickeln gleichzeitig digitale Sparten, wie Kodak (Digitalkameras), Agfa (Scanner, Ausbelichter) und Fujifilm (Digitale Kameras, digitale Fotolabore).

2004 bringt Nikon überraschenderweise noch eine neue Profikamera für den Kleinbildfilm heraus, die Nikon F6, um die Tradition der legendären Nikon F2, F3 und F4 fortzusetzen. Doch der wahre Hit sind die ersten bezahlbaren DSLRs mit sechs Megapixel, die mit einem Kit-Objektiv knapp 1000 Euro kosten.

Die Neugierde und Skepsis ist unter den gestandenen Amateurfotografen groß. Das erworbene Wissen, die Erfahrung, aber auch die teure Technik in der klassischen Fotografie und im Fotolabor sind nun teilweise obsolet. Ein mentaler und auch pädagogischer Prozess der Umstellung folgt. Aber wer einen Din A4 Ausdruck aus einem guten Tintenstrahl Drucker zu sehen bekommt, muss zugeben, dass er dem Abzug aus dem Fotolabor in keiner Hinsicht nachsteht, auch wenn die Fotosammler das herkömmliche Barytpapier auf ein hohes Podest stellen. Die gesamte Technikkette von der Kamera über den PC bis hin zum guten Inkjetdrucker ist ab rund 2004 verfügbar und auch in finanzieller Reichweite für viele, die bislang ihr Geld für teure Fotopapiere, Filme und Chemikalien ausgeben.

Erfreulicherweise sind viele alte Objektive weiterhin verwendbar, beispielsweise im Pentax System. Eine im Laufe der Jahre aufgebaute Ausrüstung gehört durch den Wechsel zur DSLR somit nicht vollständig zum alten Eisen.


Pentax K100D Super (2007 / 6 MP)

Anti Shake - Reduzierung der Verwacklungsunschärfe

Ab 2005 zieht in die DSRL ein neues Feature ein, nämlich eine Technik zur Reduzierung von Unschärfen durch Verwackeln. Die Kamera- und Optikhersteller verfolgen hierbei zwei Wege. Entweder setzen sie auf einen beweglichen Sensor in der Kamera, der durch extrem schnelle Reaktionen Bewegungen der Kamera während der Belichtung ausgleicht oder auf optische Stabilisatoren in den Objektiven.

Für die Verwendung alter Objektive ist die sogenannte Shake-Reduction durch einen beweglichen Sensor vorteilhaft, weil sie mit allen Objektiven funktioniert. Diesen Weg geht beispielsweise Pentax und bietet seinen Nutzern somit die Möglichkeit, die Vorteile der digitalen Fotografie mit allen Objektiven mit dem K-Bajonett (seit 1975) zu verknüpfen. Der bewegliche Sensor wird von Pentax später auch dazu benutzt, um punktförmige Sternaufnahme (Astrotracer) zu machen, indem er bis zu mehreren Minuten die Bewegung der Sterne durch ihr scheinbares Umkreisen die Erde ausgleicht.

Mit der Funktion Shake-Reduction kompensiert die Kamera Bewegungen (bsp. Zittern des Fotografen) während der Aufnahme, nicht jedoch die Bewegung der Motive.

    
Links: Ohne Anti-Shake / Rechts: Mit Anti-Shake

Späte Abenddämmerung nach Sonnenuntergang. Belichtungszeit: 1/4 Sekunde. Aus der freien Hand ist es mit der 'Shake Reduction' möglich, ein brauchbares Bild aufzunehmen.

Auflösung

Die ersten Consumer DSLRs haben Sensoren mit 6 Millionen Pixel. Inzwischen (2017) sind 20 bis 36 MP üblich und es gibt bereits DSLRs mit über 50 Millionen Pixel. Mehr Pixel bedeuten nicht in jedem Fall, dass Bilder qualitativ besser sind; das Gegenteil kann der Fall sein. Je mehr Pixel sich auf einer gleichgroßen Fläche befinden, desto höher sind die Anforderungen an die verwendeten Objektive und an die Schärfeeinstellung. Das Steigern der Auflösung übersteigt irgendwann die optischen Qualitäten vieler Objektive. So kann es sein, dass eine 6 Millionen Pixel Kamera mit einem älteren Makroobjektiv hervorragende Bilder erzeugt, während es mit 16 Millionen Pixel relativ unscharf abbildet.

Jahrelang wird darüber diskutiert, wie viele Pixel auf einem APS-C großen Sensor sinnvoll sind. Zunächst glaubt man, dass eine Steigerung der Pixelanzahl zwangsläufig mit einer erheblichen Steigerung des Rauschens bei mittleren und höheren ISO-Einstellungen einhergeht und zunächst bestätigt sich dies. Frühere APS-C Sensoren mit rund 14 Megapixel haben einen relativ geringen Dynamikumfang und Schatten, die schwarz absaufen und kaum Aufhellung vertragen. Doch um 2010 erscheinen Kameras, wie die Pentax K-5 mit 16 Megapixel, die diesbezüglich einen bedeutenden Fortschritt darstellen und beweisen, dass auch kleine Sensoren eine Bildqualität erreichen, für die man bis dahin größere Sensoren für nötig hält.

Nikon möchte um 2008 bei der DSLR mit APS-C Sensor die zwölf Megapixel nicht überschreiten, doch Canon zieht mit 18 Megapixel vorbei und überzeugt durch eine gute Bildqualität und eine bessere Auflösung. Inzwischen wissen wir längst, dass auch der relativ kleine APS-C Sensor mit sehr hoher Auflösung auch eine exzellente Bildqualität sogar mit hoher ISO-Einstellung bietet. Jedoch ist das Interesse der Fotografen an noch mehr Auflösung relativ gering und meistens nur noch ein nebensächlicher Kaufanreiz.

Bemerkenswert ist, dass jede digitale Spiegelreflexkamera mit 10 Megapixeln mit Empfindlichkeitseinstellungen, die für Filme üblich sind, detailreichere und schärfere Bilder erzeugen als Kleinbild-Filme. Bei den frühen Consumer DSLRs sind gute Bilder bis ISO 400 möglich. Ab 2010 sind ISO 1600 oder auch 3200 einstellbar, ohne gravierende Einbußen hinnehmen zu müssen. Im Vergleich zum ASA / ISO 400 Film schneidet die DSLR ab 2010 mit ISO 1600 besser ab. Somit sind kürzere Belichtungszeiten möglich oder die Fotografie unter dunkleren Bedingungen. Dieser Spielraum wird durch die Anti-Shake Funktion stark erweitert und mit der modernen DSLR kann man unter Lichtbedingungen aus der freien Hand fotografieren, die früher als viel zu dunkel betrachtet wurden.

Denken wir mal zurück: Mit dem Film Ilford XP2 sind 800 ASA noch in guter Auflösung und ordentlichen Tonwertverläufen machbar. Der alte Tri-X Pan, über viele Jahre der 400 ASA Schwarzweißfilm schlechthin, ist der heutigen Technik weit unterlegen. Aber ASA / ISO 1600 oder 3200? Filme sind damit überfordert, obwohl es sie mit dieser Empfindlichkeit gibt.

Folgekosten

Die digitale Fotografie ist wegen des Wegfalls der Kosten für Filme und ihre Entwicklung bislang nicht billiger als die herkömmlichen Verfahren. Den Platz der Dunkelkammer, Negativalben und Diakästen haben leistungsfähige Computer mit hoher Speicherkapazität, gutem Monitor, externe Festplatten, Brenner, Rohlinge und Drucker nebst Software eingenommen. Der technologische Fortschritt seit dem Durchbruch der digitalen Fotografie ist enorm. Die Lebenszyklen vieler digitaler Produkte sind relativ kurz, weil der technologische Fortschritt sie rasch zum alten Eisen erklärt. Investitionen werden in kürzeren Zeitabständen vorgenommen.

Auf diversen Gebieten ist mittlerweile eine Abkühlung eingetreten. Für viele Arbeitsflüsse ist es praktisch unbedeutend, ob man mit Photoshop CS3 oder CC arbeitet. Die Entwicklung von RAW-Dateien ist ausgereift. Nahezu alle Bildprogramme beherrschen mindestens die 16-Bit Verarbeitung. Seit 2000 gibt es Farbdrucker, die auch heute noch beste Ergebnisse produzieren. Die Computertechnologie hat längst einen Stand erreicht, der keine praktischen Grenzen mehr setzt. Speicher und Rechenkapazität sind sehr billig geworden.

Die digitalen Spiegelreflexkameras bieten noch Potential zur Weiterentwicklung. Die Käufer haben die 6 Millionen Pixel (MP) Geräte gekauft, danach die 10 MP Gehäuse und sind nun bei 16 bis 24 MP gelandet. Eine weitere Steigerung wird keinen Hype mehr auslösen, der zum raschen Abverkauf von teuren Modellen führt. Mehr Auflösung ist meistens nicht wirklich notwendig, wenngleich das mikroskopartige Hineinzoomen (Pixel Peeping) in ein Bild bis zur Auflösungsgrenze reizvoll bleibt. Wirklich genutzt wird das aktuelle Potential der Auflösung weder beim Betrachten auf hochauflösenden Bildschirmen noch für Abzüge, die DIN A3 groß sein müssten, um mit scharfem Auge die Grenzen der Technik festzustellen. Die Erhöhung der Lichtempfindlichkeit bei hoher Bildqualität sowie die Verbesserung der Videofunktionen sind wichtiger.

Zudem ist das Problem der allmählichen Verschmutzung des Sensors nicht zufriedenstellend gelöst. Der Fachhandel sollte hier mit einem effektiven und preisgünstigen Serviceangebot Abhilfe leisten und seine Kunden wieder in die Geschäfte locken. Eine Reinigung, die 10 € kostet und spontan verfügbar ist, wird in Anspruch genommen. Das Einschicken der Kamera zum Service mit mehrwöchigem Zeitaufwand und hohen Kosten (derzeit rund 60 €) entspricht einer hohen Hemmschwelle.

Die Spiegelreflextechnik befindet sich in einem Wandel durch den Verzicht auf den Schwingspiegel in 'Mirrorless' Systemkameras. Ihr Manko ist der fehlende optische Sucher, den ein elektronischer ersetzt. Er benötigt Strom und wird am optischen Sucher gemessen. Sobald die elektronische Lösung die Bildqualität der klassischen optischen Sucher erreicht, wird er die komplizierte Technik aus einem beweglichen Spiegel, der Mattscheibe und dem Prismensystem verdrängen, weil die Elektronik viele Darstellungsvorteile bietet. Das wäre dann das Ende der Spiegelreflex, weil eine Kamera ohne Spiegel keine sein kann.

Dateiformate

Unter alle den verfügbaren Dateiformaten hat sich JPG im sRGB Farbraum als Standard durchgesetzt. Es gibt Gründe, die dafür und dagegen sprechen, aber die Diskussion ist abgeschlossen.

Daneben gibt es die RAW-Formate der Kamerahersteller. RAWs sind Bilddateien, die nicht oder nur geringfügig seitens der kamerainternen Software bearbeitet werden. Daher nennt man sie Rohdateien. Sie sind in speziellen Programmen zu 'entwickeln'. Der Spielraum zur Tonwertebearbeitung ist höher als beim JPG. Dabei entsteht eine Kopie im JPG oder TIFF (oder anderem) Format.



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